Achtsamkeit
Reines Gewahrsein der gegenwärtigen Erfahrung und diese so, wie sie sich zeigt, akzeptieren ohne zu urteilen oder werten. Achtsamkeit beinhaltet eine Haltung nicht wertender Offenheit, in der wir auftauchende Körperempfindungen, Impulse, Gefühle, Stimmungen, Gedanken und Bilder wahrnehmen, ohne sie zu bekämpfen und ohne uns an sie zu klammern. Wir lassen sie kommen und wieder ziehen wie die Wolken am Himmel.
Akzeptanz
Akzeptanz in der Meditation bedeutet, sich dem inneren Erleben mit Offenheit zuzuwenden und mit der Bereitschaft, was immer sich zeigt im weiten Raum unseres Gewahrseins zu halten. Das ist, als würden wir unserer Erfahrung eine offene Hand hinhalten, eine Hand, die weder festhält noch wegstösst, sondern empfangend da ist für jegliche Manifestation unseres Lebendigseins. Akzeptanz ist eine Haltung, wie wir unserem Erleben begegnen. Im absichtslosen Da-Sein spannen wir einen umfassenderen Rahmen auf, in welchem sich das, was wirklich ist, entfalten und in seiner Tiefe zeigen kann, unabhängig von unserer Vorstellung oder Erwartung, wie es sein sollte.
Ablehnung
In der Meditation tauchen oft Gedanken oder Gefühle auf, die wir als Problem empfinden. Wir glauben vielleicht, wenn wir Neid, Ärger, Angst oder Trauer verspüren, sei etwas mit uns nicht in Ordnung und wir müssten unser Erleben verändern. Doch alle Gefühle und Gedanken sind einfach ein momentanes Phänomen, eine Manifestation des Lebens hier und jetzt. Sie tauchen auf, verändern sich und vergehen wieder. Wir müssen unseren Interpretationen, sie seien ein objektives Problem, nicht glauben und unseren Impulsen, sie loszuwerden, nicht folgen. Alles, was auftaucht ist weder unsere Identität noch ein Problem. Statt uns in die unlösbare Aufgabe zu verstricken, uns zur besten Version unserer selbst zu optimieren, könnten wir uns in unserer Ganzheit annehmen und unseren Schattenseiten liebevoll und mitfühlend begegnen.
Anfängergeist
Der nicht wissende «Anfängergeist» (Shunryu Suzuki) empfängt jede Erfahrung, als ob er sie zum ersten Mal erleben würde, frei von Absichten, Erwartungen, Meinungen und Urteilen. Dieses Nicht-Wissen ermöglicht eine tiefe Nähe und grundlegende Offenheit, uns von unserem Erleben berühren und verändern zu lassen. Im nicht-wissenden Anfängergeist gibt es unendlich viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige. Wenn wir aufgrund früherer Erlebnisse bestimmte Vorstellungen haben, wie etwas sein wird oder sein soll, engen wir unsere Erfahrungsmöglichkeiten ein.
Anfängergeist ist nicht nur ein Konzept oder eine Einstellung, sondern eine Realität. Jedes Mal, wenn du dich aufs Meditationskissen setzt, beginnst du ganz neu mit Meditation. Denn du bist heute nicht mehr dieselbe Person, die du gestern warst. Als dieser neue Mensch beginnst du heute neu zu meditieren, zum allerersten Mal. Ebenso ist es im Alltag. Jede Handlung vollziehen wir zum ersten Mal. Wir können nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen. Es gibt keine einzige Wiederholung. Jeder Moment ist frisch und neu, jeder Augenblick einzigartig.
Anhaften
Der Geist ist nicht frei beweglich, sondern fixiert. Anhaftung kann Form, Worte und Erfahrungen betreffen. Wir haften an der Form, wenn wir versuchen, Glück und Sicherheit in äusseren Dingen zu finden (Besitz, Suchtmittel, Essen, Medienkonsum, Sex). Grundsätzlich kann jede Substanz und jede Aktivität dazu missbraucht werden, vor der existentiellen Unsicherheit davonzulaufen. Anhaftung an Worte beinhaltet das Klammern an Überzeugungen, Ansichten, Konzepte, sämtliche -ismen (politische, philosophische, spirituelle). Wir suchen Sicherheit in der Illusion, dass wir Recht haben und andere Unrecht. Wir haften an Erfahrungen, wenn wir bestimmte Erlebnisse oder Bewusstseinszustände immer wieder erleben wollen.
Arbeitsmeditation
Die Arbeitsmeditation (Samu) ist das Bindeglied zwischen der Sitzmeditation und dem Alltag. Sie ermöglicht uns, ohne Leistungs- und Zeitdruck achtsam und präsent das zu tun, was jetzt gerade zu tun ist, sei es putzen, Holz spalten, Blätter rechen, jäten etc. Dabei behandeln wir alle Gegenstände, mit denen wir arbeiten so sorgfältig, als wären sie so kostbar wie unsere eigenen Augen (Oi Saidan Roshi).
Aufmerksamkeit, gerichtete
Aufmerksamkeit ist gerichtetes Gewahrsein. Sie ist wie ein Schweinwerfer und was immer sie beleuchtet, prägt unser Gehirn. Folglich ist die Fähigkeit der Aufmerksamkeitslenkung ein machtvolles Instrument, um das eigene Gehirn zu beeinflussen.
Die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu richten, hilft in der Meditation, den Geist zu stabilisieren. Dieses Objekt kann zum Beispiel der Atem, ein Wort, eine Mantra, ein Geräusch oder ein Bild sein.
Authentizität
Sich in seiner Echtheit zu zeigen, insbesondere sich auch mit seinen Schwächen und Schattenseiten zu zeigen, schafft zwischenmenschliche Nähe. Nur die Seiten von uns, die wir zeigen, können von anderen auch wahrgenommen, angenommen, akzeptiert und wertgeschätzt werden. Was wir nicht zeigen, wird nicht gesehen und nicht gespiegelt. Wir können daher auch nicht die Erfahrung machen «Ich bin ok so, andere kennen das auch». Wir können uns nur mit unserem ganzen Wesen zugehörig fühlen, wenn wir uns mit unserem ganzen Wesen zumuten.
Wenn wir versuchen, anders zu sein, als wir sind, verwässern wir unsere Essenz. Wenn wir aus vollem Herzen sind, wer wir sind, dann verdichtet sich unsere Essenz zu einer reinen, klaren Strahlkraft. Wir sind eigen, eigentlich, wesentlich. Wenn wir aufhören, uns Gedanken zu machen, wie wir sein und was wir tun sollen, werden wir immer tiefer unserer reinen Essenz begegnen und diese in ihrer ganzen Schönheit zur Entfaltung bringen.
Beobachter, innerer
Eine innere Instanz, die unser Erleben wahrnehmen und benennen kann. Der innere Beobachter betrachtet all unser Erleben mit unvoreingenommenem Interesse, ohne es zu beurteilen und ohne darauf zu reagieren. Er hält einen weiten Raum nicht urteilenden Gewahrseins, in welchem Gefühle, Gedanken und Empfindungen sich zeigen dürfen und ist somit wie der Himmel hinter den Wolken unseres Erlebens. Er bezeugt die unterschiedlichen Wolken, ohne sie zu kommentieren. Durch das Benennen der Wahrnehmungen schaffen wir Distanz zwischen dem Wahrnehmungsinhalt und unserem wahrnehmenden Selbst.
Blockaden
Erleben wir überfordernde Emotionen, reagiert unser Körper unmittelbar und unbewusst mit Anspannung. Die Erfahrung kann nicht mehr frei durch uns hindurchfliessen, sondern wird durch die höhere Spannung von Muskulatur und Bindegewebe unter Kontrolle oder sogar gänzlich vom bewussten Erleben fern gehalten.
Psychodynamisch betrachtet ist Anspannung eine körperliche Manifestation der psychischen Abwehr. Spirituell betrachtet ist sie eine Reaktion des Ich's, welches um seine Identität oder Integrität fürchtet.
Jede Spannung auf körperlicher Ebene engt unseren Wahrnehmungsraum und unser Bewusstsein ein. Mithilfe unseres fokussierten Gewahrseins und des Atems können wir uns in körperliche Spannung sozusagen hineinschmelzen lassen und so die Barrieren unseres Erfahrungsraumes aufweichen. Wann immer wir einem Körperteil geduldig und absichtslos Aufmerksamkeit schenken, kommt dort ein Prozess von Öffnen und Loslassen in Gang.
Containment
Fähigkeit, das eigene Innenleben zu halten und präsent damit in Kontakt zu sein. Die Metapher des Containers resp. Containens gründet in der Vorstellung, dass wir ein Gefäss für das Leben sind, welches sich in immer wieder anderen Körperempfindungen, Gefühlen, Gedanken, Impulsen und Bildern in uns manifestiert. Als Gefäss halten wir diesen Inhalt, ohne zu ihm zu werden. Die Kunst des Containments besteht darin, den Raum dieses Gefässes grösser zu halten als den Inhalt, insbesondere als unsere vermeintlichen Probleme. Je weiter das Gefäss ist, desto gelassener und ruhiger können wir dem Fluss der Lebendigkeit und seinen Wirbeln und Stromschnellen in uns begegnen.
Dana
Dana ist die Praxis der Grosszügigkeit und des selbstlosen Gebens. Um von Herzen geben zu können, müssen wir lernen loszulassen. Weil Loslassen ein wichtiger Aspekt des spirituellen Weges ist, tragen wir mit der Praxis des Gebens zu unserer eigenen Befreiung bei.
Dankbarkeit
Eine regelmässige Dankbarkeitspraxis kann den Blick auf unser Leben verändern. Sie verschiebt den Fokus vom Mangel zum Genug. Das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs ist eine gut erforschte psychotherapeutische Intervention. Tägliches Aufschreiben all dessen, wofür man dankbar ist, verbessert nachweislich und nachhaltig die Stimmung.
Dankbarkeit nimmt nichts für selbstverständlich. Sie begegnet auch den kleinsten Freuden der Welt mit Staunen und Wertschätzung. Dankbarkeit bereichert unser Leben, nicht weil sie etwas hinzufügt, sondern weil sie uns den Reichtum erkennen lässt, der in jedem Moment da ist. Wenn wir Dankbarkeit pflegen, sind wir vom Hier und Jetzt des Lebens gesättigt und zufrieden. Wir geniessen, was wir haben, und begehren in dem Moment nichts weiter. Dankbarkeit reduziert unser Konsumbedürfnis und das tut sowohl uns selbst als auch der Umwelt gut.
Denken
Wenn wir in der Meditation die Gedanken loslassen, dann existieren Gedanken ohne dass wir denken. Es geht es nicht darum, das Denken zu stoppen oder auszulöschen. Denken ist Teil der Realität und eine natürliche Funktion des menschlichen Geistes. Wenn man sich anstrengt, nicht zu denken, wird Nicht-Denken zu einem Ziel, an welchem wir anhaften und wir erhalten die Dualität zwischen Denken und Nicht-Denken aufrecht. Laut dem Zen-Meister Dogen ist Zen weder Denken noch Nicht-Denken, es ist jenseits von Denken. In der Meditation hören wir auf, unserem Denken Aufmerksamkeit zu schenken und uns damit zu identifizieren. Die Gedanken loslassen bedeutet, sie sein zu lassen, weder nach ihnen zu greifen noch gegen sie anzukämpfen.
Frieden
Konflikte oder Kriege sind auch ein Spiegel und die Folge des Krieges, der in jedem und jeder von uns herrscht. Die Gewalt im Aussen ist nicht getrennt von der Gewalt in unserem Inneren. Die Welt ist ein Spiegelsaal. Wir können in allem, was vermeintlich ausserhalb ist, uns selbst erkennen und in uns selbst alles, was vermeintlich ausserhalb liegt, wiederfinden. Wir alle haben die Samen von Hass, Gewalt, Wahnsinn und Brutalität in uns. Wir alle sind mehr oder weniger im Krieg mit eigenen unerwünschten Anteilen, Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen oder Impulsen. Frieden beginnt daher in uns selbst. In der Auseinandersetzung mit all dem, was uns an uns selbst stört, können wir die Fertigkeiten einüben, die wir auch in der Begegnung mit anderen Menschen oder äusseren Situationen brauchen, mit denen wir im Unfrieden sind: Offenheit, Bereitschaft hinzuspüren und zuzuhören, Mitgefühl und Verbundenheit.
Gegenwärtigkeit
Um die Menschen von den Verstrickungen des Geistes zu befreien, lehrte Buddha einen Weg der vollkommenen Gegenwärtigkeit: ganz präsent im Hier und Jetzt sein. Das ist gar nicht so einfach, denn unser Geist, unser Verstand mag das Hier und Jetzt gar nicht. Er grübelt viel lieber über die Vergangenheit oder plant die Zukunft. Den Geist in der Gegenwart ruhen zu lassen, gelingt nur über beharrliches Üben. Es ist ein bisschen, wie wenn man einem jungen Hund beibringen will, bei Fuss zu gehen. Der Hund wird immer wieder losrennen, weil er etwas Spannendes riecht, hört oder sieht – oder um etwas anzubellen, wovor er sich fürchtet. Genauso rennt unser Geist immer wieder schönen Fantasien und Plänen nach oder kämpft mit unangenehmen Gefühlen oder Vorstellungen. Doch wir können unseren Geist zähmen, indem wir ihn jedes Mal, wenn er davonrennt, wieder zurückholen. Eine wunderbare Ankerkette, an der wir uns ins Hier und Jetzt zurückhangeln können, ist der Körper. Denn der Körper ist immer im Hier und Jetzt. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper und unsere Atmung richten, sind wir ganz im Hier und Jetzt.
Gewahrsein, reines
Mit einem weiten, kontemplativen Geist wahrnehmen, wie Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Bilder in uns aufsteigen und wieder vergehen. Wir nehmen diese wahr, aber wir lassen uns nicht davon vereinnahmen. Wir sind wie ein Spiegel, der alles, was vor ihm erscheint reflektiert. Der Spiegel unterscheidet nicht, weder greift er nach etwas, noch stösst er etwas von sich. Genauso können wir unseren Körperempfindungen, Gefühlen, Gedanken und inneren Bildern begegnen.
Gewaltlosigkeit
Kein Lebewesen kann leben, ohne anderes Leben zu schädigen oder zu töten. Leben vollzieht sich immer auf Kosten von anderem Leben. Ein gewaltloses Leben zu führen, kann also immer nur teilweise erreicht werden. Es beinhaltet einen rücksichtsvollen Umgang mit allen Lebewesen und ihrer Lebensgrundlage, der Erde mit Festland, Luft und Wasser. Man versucht, sein Leben achtsam zu leben, so dass möglichst wenig Schaden entsteht, weder direkt noch indirekt (indem anderen Lebewesen die Lebensgrundlage geschmälert oder entzogen wird).
Gifte, drei
Buddha identifizierte drei "Gifte", die unser Leiden verursachen: Unwissenheit, anhaftendes Begehren und Ablehnung. Anhaftendes Begehren (Wollen) und Ablehnung (Nicht-wollen) sind zwei Kehrseiten derselben Medaille: Wir wollen, was angenehm, lustvoll und schön ist, und zwar jetzt und möglichst für immer. Das kann sich auf Gefühle, Sinnesempfindungen, Beziehungen, Dinge oder Tätigkeiten beziehen. Was wir nicht wollen, am liebsten gar nie, ist Unangenehmes, Schmerzhaftes oder Uninteressantes. Wenn wir nicht bekommen, was wir wollen oder bekommen, was wir nicht wollen, dann sind wir unglücklich. Was wir wollen oder nicht wollen, ist individuell sehr verschieden. Es sind also nicht die äusseren Umstände, die uns glücklich oder glücklich machen, sondern unsere Bewertung dieser Umstände. Oder anders gesagt: Wir leiden nicht am Leben an sich, sondern an unseren Erwartungen, Wünschen, Meinungen und Illusionen bezüglich des Lebens.
Unwissenheit oder Verblendung ist in der buddhistischen Psychologie die Wurzel allen Leidens. Wir sind verblendet, weil unser ganzes Wollen und Nicht-wollen sich auf Vergängliches richtet. Angenehme und unangenehme Gefühle, Sinnesempfindungen und Gedanken kommen und gehen. Dinge gehen irgendwann kaputt oder verloren. Umstände und Menschen, inklusive wir selbst verändern sich. Nichts ist von Dauer und nichts kann uns daher für immer Sicherheit und Befriedigung geben.
Gleichmut
Gleichmut oder Gelassenheit (Sanskrit: Uppekkha) bedeutet, sich von allen Veränderungen der Welt, von allen Freuden und Sorgen in ihrem ständigen Wandel berühren zu lassen und sie in einem weiträumigen Geist halten. Die Nicht-Reaktivität von Gleichmut meint nicht, dass wir im Aussen nicht handeln, sondern dass wir uneingeschränkt Freude fühlen ohne daran anzuhaften und uneingeschränkt Schmerz fühlen ohne diesen abzulehnen.
Güte, liebende
Selbstlose Liebe, im Buddhismus als liebende Güte (Metta, Maitri) bezeichnet, beinhaltet die Absicht, allen Wesen Liebe, Freude und Glück zu schenken. Wir säen die Samen der liebenden Güte, indem wir anderen mit offenem, liebendem Herzen begegnen. Liebende Güte unterscheidet nicht und wählt nicht aus. Sie ist wie ein sanfter Frühlingsregen oder wärmendes Sonnenlicht, welche beide die ganze Erde beschenken. Die bedingungslose Liebe kommt allen zugute, sie öffnet sich für das So-Sein aller Wesen und liebt sie um ihrer selbst willen, ohne dass sie etwas Besonderes tun oder sein, oder einen Nutzen für uns haben müssen.
Diese Liebe können und müssen wir nicht aus unserem Ich entwickeln. Es ist eine universelle Liebe, eine Quelle, mit der wir uns verbinden können und dürfen. Viele spirituellen Wege sehen in dieser Liebe die wahre Natur des Menschen und haben Praktiken entwickelt, um sich mit der Quelle der Liebe zu verbinden. Wenn wir das erste Mal mit dieser Liebe in Berührung kommen, erleben wir eine wunderbare Überraschung: So lange suchten wir die Liebe und meinten, wir müssten sie von jemand anderem bekommen. Doch urplötzlich erleben wir, dass das gesuchte Gefühl im Geben und nicht im Empfangen liegt.
Hara
Ein Ort zwischen Bauchnabel und Becken, der in den spirituellen Traditionen des Ostens eine besondere Bedeutung hat. Er wird auch Dantien, Tanden oder Yin-Space genannt und als Zentrum der Lebenskraft angesehen. Seine Grösse und Lokalisation sind nicht scharf definiert. Viele Menschen können jedoch spürend wahrnehmen, dass es eine Stelle im Bauchraum gibt, die sich offen, «leer» oder frei von Inhalten anfühlt. Wir können uns in diesem Zentrum verankern, indem wir unser Gewahrsein darauf ausrichten und dort stabilisieren. So kann das Zentrum, oder unsere eigene Mitte, zu dem sicheren ruhigen Hafen werden, in welchem wir das Schiff unserer Aufmerksamkeit vertäuen und gleichzeitig den inneren Blick für die ständig sich verändernden Emotionen, Gedanken, Körperempfindungen und Impulse öffnen können.
Hindernisse, fünf
Buddha lehrte, dass es einfacher sei, auf dem Schlachtfeld tausend Feinde zu besiegen, als sich selbst auf dem Feld des Geistes. Er identifizierte fünf Hindernisse ("Geistesfaktoren") für die Meditation: Trägheit des Geistes, Unruhe des Geistes, Zweifel, Sinneslust und Ablehnung. Wenn eines dieser Hindernisse auftaucht, dann wird empfohlen, es wahrzunehmen, anzuerkennen und anzunehmen. Wenn wir dagegen ankämpfen, potenzieren wird das Leiden. Stattdessen können wir das subjektive Erleben zum Objekt unserer Wahrnehmung machen: Wie bin ich, wenn ich müde, unruhig, zweifelnd, ärgerlich, sehnsüchtig bin? Wie fühlt sich das an?
Wenn wir das Hindernis mit Neugier erforschen, das Subjekt zum Objekt machen, lösen wir die Identifizierung auf und transzendieren das Objekt. Wir schliessen es nicht aus, sondern ein.
Es ist ähnlich wie mit dem Unkraut im Garten: wenn wir das Unkraut kompostieren (einem Wandlungsprozess zuführen), wird es zur Nahrung für neue Pflanzen, zum Gold des Gartens.
Wenn wir unsere Hindernisse wahrnehmen ohne sie zu beurteilen und einfach nur beobachten, transformieren sie sich in Nahrung für unsere Meditation.
Körper
Wir können unseren Körper auf zwei Arten wahrnehmen: von aussen, mit unseren Augen und indem wir ihn berühren. Der so wahrgenommene Körper hat eine klar begrenzte, von Moment zu Moment einigermassen konstante Form und Konsistenz. Wenn wir den Körper von innen her wahrnehmen (Interozeption), ist es ganz anders. Im Spüren zeigt sich ein Körper, dessen Form, Grösse und Dichte veränderlich sind. Je tiefer wir in unser Körpererleben eintauchen, desto dynamischer werden die Empfindungen. Wir finden Bewegung und Raum, wo vorher eine statische, klar begrenzte Empfindung war. Der Körper "entdichtet" sich und wir erfahren ihn zunehmend als Gewahrseinsraum, in welchem Inseln von mehr oder weniger dichten Empfindungen fortwährend auftauchen, sich wieder verändern und vergehen.
Körperhaltung
Jeder emotional-geistige Zustand spiegelt sich in unserem Körper. Fixieren wir uns auf eine Idee oder ein Konzept, findet diese geistige Einengung ihren unmittelbaren Niederschlag in einer körperlichen Anspannung. Unsere innere Haltung formt unsere Körperhaltung. Jeder Muskel, aber auch bindegewebige Strukturen, Knochen und innere Organe können zum Spiegel unserer geistigen Welt werden, sei es als unmittelbare Reaktion auf eine momentan gedankliche oder emotionale Anspannung, sei es als chronisches Haltmuster, welches unsere tiefsten Überzeugungen und Glaubenssätze verkörpert. Unsere Geschichte und unsere Innenwelt manifestieren sich in unserem Atemmuster, unserem Gang, unserer Haltung, unseren Gesten und unseren Gesichtszügen.
Krise
Das chinesische Schriftzeichen für Krise ist aus zwei Zeichen zusammengesetzt: Chance und Gefahr. Eine Krise birgt in sich die Gefahr des Scheiterns, des Steckenbleibens in der Sackgasse bisheriger Muster, aber auch die Chance auf Öffnung für etwas Neues und auf Wandlung. Krise bedeutet Tod und Auferstehung, Verlust und Neubeginn. Krisen bringen uns aus dem Gleichgewicht. Gleichgewicht ist eigentlich etwas Unnatürliches, denn Leben ist immer in Bewegung. Biologisch ist höchstens ein Fliessgleichgewicht möglich, aber kein statisches Gleichgewicht. Leben beruht auf Ungleichgewicht. Unser Streben nach Sicherheit und Konstanz lässt uns immer wieder der Illusion verfallen, dass die Dinge, unsere Beziehungen, unser Status, wenn wir uns nur genügend anstrengen, so bleiben wie sie sind. Je mehr wir uns darum bemühen, den Status quo festzuhalten, desto anfälliger sind wir für Krisen.
Leiden
In der buddhistischen Psychologie wird der Zusammenhang zwischen schwierigem Erleben und unserem Umgang damit auf die Formel verdichtet: Leiden = Schmerz x Widerstand. Je mehr wir versuchen, einen körperlichen oder emotionalen Schmerz zu unterdrücken, zu vermeiden oder zu ignorieren, desto mehr leiden wir. Wenn wir den Widerstand gegenüber dem Schmerz aufgeben (auf Null setzen), dann hört das Leiden auf (das Produkt jeder Multiplikation mit Null ist ebenfalls Null). Wohlgemerkt bedeutet das nicht, dass wir keine sogenannt schwierigen Gefühle mehr erleben. Das Ende des Leidens ist das Ende des Widerstandes gegen das Leiden, resp. schmerzvolles Erleben. Wir bekämpfen schmerzvolles Erleben nicht mehr, sondern wir akzeptieren es als wesentlichen Bestandteil des Mensch Seins. Statt zu versuchen, es aus unserem Leben auszuschliessen, öffnen wir unser Herz und unseren Geist so weit, dass wir es in diese Weite friedvoll einbetten können.
Das bedingt oftmals eine Veränderung unserer Vorstellung, worum es in einem «geglückten» Leben geht: nämlich weniger darum, sich glücklich, toll, erfolgreich oder gut zu fühlen, nicht um Vollkommenheit, sondern um Ganzheit, um Integration all dessen, was lebendig sein ausmacht. Dann können wir den vergeblichen Versuch, das schmerzvolles Erleben klein zu halten, beenden und unser Streben darauf ausrichten, selbst so weit zu werden, dass alles in dieser Weite seinen Platz findet und in Frieden da sein darf.
Mitgefühl
Karuna, das Sanskritwort für Mitgefühl, bezeichnet wörtlich einen Zustand, bei dem man als Reaktion auf das Leiden eines Wesens ein Zittern oder Beben des Herzens verspürt.
Mitgefühl setzt die Bereitschaft voraus, sich für Leiden zu öffnen und Schmerzen zu empfinden. In der Mitgefühlspraxis sind wir daher gefordert, uns mit unserer Furcht vor dem Schmerz und dem Leiden auseinanderzusetzen. Andernfalls versuchen wir das Leiden in uns und bei anderen zu tilgen, weil es uns überfordert.
In der Meditation lässt sich der mitfühlende Umgang mit Leid wunderbar üben: Wir erhoffen uns einen konzentrierten, klaren, friedvollen, entspannten oder glückseligen Zustand. Stattdessen werden wir konfrontiert mit Müdigkeit, Langeweile, Schmerzen, unruhigem Geist, Unzufriedenheit, Hunger… In der Meditation, wenn es uns verwehrt ist, diesen unangenehmen Erfahrungen durch Handlung zu entkommen, können wir beobachten, wie unser Geist damit umgeht.
Alle schwierigen Gefühle und Erfahrungen sind Gelegenheiten, mitfühlendes Gewahrsein zu üben und auch das Unwillkommene willkommen zu heissen. Je mehr wir unseren eigenen Schattenthemen und unserem eigenen Leiden mit Wärme, Freundlichkeit und Verständnis begegnen können, desto mehr Mitgefühl könne wir für andere entwickeln. Wir erkennen, dass wir gerade im Schwierigen alle miteinander verbunden sind.
Mitfreude
Selbstlose Freude (Sanskrit: Mudita) erfreut sich am Glück und Wohlergehen anderer. Die Praxis der Mitfreude bringt uns in Kontakt mit unseren Schattenseiten (Neid, Enttäuschung, Groll), insbesondere wenn andere Menschen etwas erreichen oder bekommen, was wir uns selbst auch wünschen würden.
Negativitätsbias
Das menschliche Gehirn entwickelte im Laufe der Evolution einen negativen Bias, weil negative Erfahrungen einen viel grösseren Einfluss auf unser Überleben hatten als positive. Unser Gehirn ist wie ein Radar, der besonders sensitiv eingestellt ist für alles, was bedrohlich, unangenehm oder schwierig sein könnte. Darum haben wir Menschen die Tendenz, das was uns fehlt oder stört viel stärker wahrzunehmen als das, was wir haben oder was uns guttut. Das ist hilfreich für unser Überleben, beeinträchtigt jedoch unsere Zufriedenheit und unser Glück.
Nervensystem, vegetatives oder autonomes
Dieses Nervensystem reguliert die Tätigkeit unserer inneren Organe, zB. Herzkreislaufsystem, Atmung, Verdauung, aber auch unsere Grundanspannung und Wachheit. Es besteht aus zwei Anteilen, Sympathikus und Parasympathikus. Der Sympathikus ist zuständig für Aktivität. Wenn wir uns in Sicherheit fühlen, fühlt sich eine Sympathikusaktivierung belebend, lustvoll und weit an, zum Beispiel beim Spiel, Sport, Tanz, Feiern oder Sex. Wenn wir nicht in Sicherheit sind, löst der Sympathikus die Stressreaktion aus. Der Parasympathikus ist, wenn wir in Sicherheit sind, zuständig für Verdauung, Erholung, Verbindung nach innen und emotionale Verbindung mit anderen Menschen. Sind wir nicht in Sicherheit, führt der Parasympathikus im Rahmen der Stressreaktion zur Unterwerfungs- oder Erstarrungsreaktion. Ein gesunder Organismus, das gilt für einen Tiger genauso wie für einen Vogel oder einen Menschen, pendelt mehrfach täglich zwischen Phasen der Aktivität und Phasen der Erholung, zwischen sympathikotoner Aktivierung und parasympathikotoner Entspannung.
Pfad, achtfacher
Die Lehre Buddhas, wie das Leiden transzendiert werden kann. Der Pfad ruht auf den drei Pfeilern Prajna (Weisheit), Samadhi (Sammlung) und Sila (ethisches Verhaltung) und umfasst folgende acht Elemente: Rechte Einsicht in die vier edlen Wahrheiten und die bedingte Entstehung; rechter Entschluss zur ethischen Lebensführung in Mässigung, Güte und Gewaltlosigkeit; rechte Rede (Verzicht auf Lüge, üble Nachrede und Geschwätz); rechtes Handeln (nicht auf egoistische Wünsche, sondern auf das Wohl aller Lebewesen ausgerichtet); rechter Lebenserwerb (keine Berufe, die andere Wesen schädigen); rechte Anstrengung (ausdauerndes Bemühen, dem Pfad zu folgen); rechte Achtsamkeit (offenes Gewahrsein gegenüber allem, was im Bewusstsein auftaucht, weder mit Anhaftung noch mit Ablehnung reagieren); rechte Sammlung (meditative Praxis).
Präsenz
Präsent sein heisst wörtlich anwesend sein. Ein Präsent ist ein Geschenk. Präsent sein bedeutet somit, unsere Anwesenheit zu schenken.
Durch regelmässige Meditation werden die Sinne verfeinert. Wir nehmen Farben, Geschmäcke, Gerüche und Geräusche stärker wahr. Das Leben wir bunter, intensiver und erfüllter.
Je präsenter wir mit unseren Sinneskanälen verbunden sind, desto weniger brauchen wir, um «satt» zu werden. Wir können uns an der schlichten Schönheit eines Gänseblümchens ebenso erfreuen wie an der prallen Süsse einer reifen Kirsche oder am Klang des Regens an den Fensterscheiben. Denn unsere intensivsten Erfahrungen entstehen nicht durch viele oder intensive Reize, sondern durch unsere vollumfängliche Präsenz, wenn wir körperlich, emotional und geistig voll und ganz da sind und uns mit unserem ganzen Sein in unser Tun hineinsinken lassen. Präsenz macht glücklich!
Probleme
Wann immer die Realität nicht mit unseren Erwartungen, Wünschen oder Bedürfnissen übereinstimmt, empfinden wir das als Problem. Probleme existieren immer nur in Bezug auf eine Vorstellung, Erwartung oder ein Bedürfnis, nicht für sich alleine. Pointiert könnt man formulieren: Es gibt kein einziges real existierendes Problem auf dieser Welt. Erst unsere negative Bewertung macht ein Problem zu einem Problem.
Ein Problem existiert also immer in der Dyade Realität – Person. Daraus folgt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, mit Problemen umzugehen: wir können die Realität verändern oder wir können unsere Einstellung und Beziehung zur Realität verändern. Den kaputten Veloschlauch können wir flicken. Die Charakterzüge unserer Partner:innen können wir nicht verändern. Es gibt Probleme, die können wir lösen und Probleme, von denen wir uns lösen müssen. C. G. Jung stellte in seiner therapeutischen Tätigkeit fest, dass die grössten und wichtigsten Lebensprobleme im Grund genommen alle unlösbar sind. Wenn wir wirklich ehrlich mit uns selbst sind, müssen wir zugeben, dass wir enorm viel Zeit damit verbringen, über Probleme nachzugrübeln, die wir nicht lösen können. Wir verrennen uns im Kampf mit der Wirklichkeit und in der Überzeugung, recht zu haben. Die Welt, der oder die andere sollte so sein, wie wir es richtig finden. Aber wie soll denn die Kuh plötzlich wiehern können?
Realität
Buddha sagte: "Die Welt ist geistgeschaffen. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt."
Die äussere Realität ist ein Spiegel unserer inneren Realität. Wenn wir uns innerlich weiterentwickeln, verändern sich die Geschichten, die wir uns selbst erzählen und dadurch werden sich auch unser Blick auf die Welt, unsere Beziehungen und unser tätig sein in der Welt verändern. Verändert sich unser Blick auf die Welt, so verändert sich die Welt.
Selbst
In der buddhistischen Psychologie wird das Selbst als dauernd sich veränderndes prozesshaftes Geschehen verstanden, das sich aus den Erfahrungen von Körperempfindungen, Gefühlen, Wahrnehmungen, Reaktionen und Bewusstsein immer wieder neu und anders zusammensetzt. Identität umfasst in diesem Verständnis die momentanen Erlebensinhalte, unsere Reaktion darauf und das Bewusstsein, welches das alles wahrnimmt. Das Strömen von Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken erzählt mir Moment für Moment, wer ich jetzt gerade bin. Die neurobiologische Forschung bestätigt diese dynamische Natur des Selbst. Aus dem konstant fliessenden, sich immer verändernden Bewusstseinsstrom konstruiert unser Gehirn ca. alle 60ms unser Ich-Gefühl und diese dicht aufeinanderfolgenden Einzelereignisse erleben wir als kohärente Kontinuität und Basis unserer Identität - analog einem Zeichentrickfilm, in welchem die rasche Abfolge der statischen Bilder unserem Gehirn einen lückenlosen Handlungsfluss vortäuschen.
Selbstbild
Unser Selbstbild ist ein erdachtes Konstrukt. Wir definieren bestimmte Eigenschaften als zu uns gehörig und andere nicht. Weil uns Vieldeutigkeit und prozesshafte Natur unseres Selbsterlebens verunsichern und wir uns nach Eindeutigkeit und Klarheit in unserer Identität, unseren Bedürfnissen und Gefühlen sehnen, ersetzen wir das von Moment zu Moment sich verändernde Selbstgefühl durch ein die Zeit überdauerndes Selbstbild. Obwohl dieses die Komplexität unseres Seins reduziert, klammern wir uns daran. Es ist, als wären wir süchtig nach unseren Gedankenkonstrukten und unfähig, sie loszulassen. Durch dieses Klammern an ein definiertes, Sicherheit und Kohärenz stiftendes Ich verlieren wir unsere Echtheit, Vielfältigkeit und Mehrdeutigkeit. Das Selbstbild gibt uns einerseits Halt und Sicherheit, andererseits engt es uns aber auch ein und beschneidet unsere Möglichkeiten. In der Meditation können wir erkennen, dass unser Selbst weder konstant noch eindeutig ist, sondern ein Prozess von dauernd sich verändernden Empfindungen, Gefühlen, Gedanken und Wahrnehmungen.
Selbstliebe
Selbstliebe bedeutet, alles zu lieben, was wir sind, und nicht mehr zu unterscheiden zwischen liebenswerten und nicht liebenswerten Eigenschaften unserer selbst. Natürlich fällt es uns einfach, jene Aspekte zu lieben, auf die wir stolz sind und mit denen wir anderen gefallen, doch «es ist nicht das Vollkommene, sondern das Unvollkommene, das unserer Liebe bedarf» (Oscar Wilde).
Unser Herz zu öffnen für das Unperfekte in uns und mit diesem eine liebevolle, mitfühlende Beziehung einzugehen, ist die Voraussetzung dafür, dass wir unser Herz auch für andere Menschen mit all ihren Mängeln wirklich öffnen können. Denn erst das Fundament der Selbstliebe befähigt uns, andere wirklich selbstlos zu lieben.
Skandhas
Im Buddhismus werden als die fünf Skandhas (Ansammlungen oder Anhäufungen) Körperempfindungen, Gefühle, Wahrnehmungen, geistige Reaktionen und das Bewusstsein, welches dies alles erlebt, bezeichnet. Der Mensch ist eine Ansammlung dieser fünf Prozesse, die in dauernder Veränderung sind, und hat daher keine konstante und kontinuierliche Identität.
Sangha
Im Buddhismus ist eine Sangha eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam den Übungsweg geht. Das Sitzen in der Gruppe potenziert die Kraft unserer Übung. Wir verbinden uns miteinander in der Synchronisation der Bewegungen beim gemeinsamen Gehen, Verneigen, Tönen oder Tee trinken… Diese Verbundenheit trägt uns, gerade auch, wenn wir Schmerzen oder schwierige Gefühle erleben, sie verstärkt unsere Konzentration und die Tiefe unserer Meditation. Für die meisten Menschen ist es einfacher, in der Gruppe zu meditieren als allein. Als Gruppe tragen wir die Form und geben ihr Kraft und eine Heimat und genauso trägt die Form uns und gibt uns Kraft und eine Heimat.
Stressreaktion
Amöben kontrahieren sich in chemisch toxischem Milieu, Schnecken ziehen ihre Fühler ein, der Igel rollt sich zusammen, Katzen ducken sich bei Gefahr, Menschen «erstarren vor Schreck». Lebewesen schützen sich vor physischer Bedrohung durch Muskelanspannung, egal ob ihr evolutionäres oder individuelles Stressbewältigungsmuster Kampf, Flucht oder Erstarrung ist. Bei uns Menschen vermittelt der Sympathikus in Stresssituationen Kampf- und Fluchtbereitschaft und führt zu einer verstärkten Kontraktion von Muskulatur, Blutgefässen und Herzmuskel. Wir nehmen unseren Körper als kompakter, stärker und klarer abgegrenzt wahr. In diesem Zustand können wir akute physische Bedrohungen besser erfolgreich bewältigen, als wenn wir ganz entspannt sind.
Da unsere Spezies nur über diese eine Stressreaktion verfügt, reagieren wir mit genau demselben Muster bei sozialen und chronischen Bedrohungen und bei alltäglichen Herausforderungen. Anspannung ist unser Automatismus, um schwieriges Erleben zu kontrollieren oder gänzlich vom bewussten Erleben fernzuhalten. Wir verschliessen uns so – fast immer unbewusst – gegenüber Gefühlen, Erinnerungen, Sehnsüchten und Verletzungen, die uns überfordern. Anspannung ist daher nicht nur ein körperliches Phänomen, sondern sie begrenzt auch den Raum unseres Gewahrseins.
Unbeständigkeit
Unbeständigkeit (Anicca) gilt im Buddhismus als eines der drei Grundmerkmale der Existenz. Es gibt nichts, was wirklich beständig ist und einen verlässlichen Halt geben könnte. Alles kann wegfallen, wir könnten durch alles hindurchfallen. Die Furcht vor dieser Haltlosigkeit zu transzendieren, ist nur möglich, wenn wir aufhören, unser Wohlbefinden vom Vorhandensein bestimmter äusserer Gegebenheiten und innerer Zuständig abhängig zu machen.
Verbundenheit
Wir sind Teil des word wide webs, sind es schon immer gewesen, schon lange, bevor es das Internet gab. Das Internet ist eine technologische Manifestation der Tatsache, dass wir alle miteinander verbunden sind. Nichts und niemand ist von diesem Netz des Lebens ausgeschlossen oder unabhängig. Wir alle atmen dieselbe Luft. Wir werden vorübergehend «bewohnt» von Atomen und Molekülen die kürzlich Teil von Flüssen, Bergen, Pflanzen, Tieren oder anderen Menschen waren, und es schon bald wieder sein werden.
Verbundenheit bedeutet, dass wir alles sind. Wobei der Begriff Verbundenheit nicht wirklich passend ist, denn er suggeriert getrennte Entitäten, die sich miteinander verbunden fühlen können oder nicht. Besser wäre es zu sagen: wir sind immer schon das Ganze. Wann immer wir das nicht nur kognitiv erkennen, sondern wirklich fühlen, zerbricht die Illusion des Getrenntseins und der Isolation. Wir erleben die Welt als Fortsatz von uns selbst und behandeln sie auch entsprechend. In der tibetisch-buddhistischen Tradition wird dieser veränderte Blick auf die Welt als «sacred outlook» bezeichnet: Aus unserem Herzgeist können wir die Ganzheit der Phänomene als Buddhanatur erkennen.
Wahrheiten, vier edle
Die grundlegenste Lehre Buddhas.
Die erste Wahrheit besagt, dass Leiden unumgänglich ist. Wir alle erleben Enttäuschungen, Kränkungen, Verlust, Alter, Krankheit und Tod.
Die zweite Wahrheit eruiert «Durst» als die Ursache unseres Leidens. Mit Durst ist gemeint, dass wir etwas Bestimmtes wollen – und damit dessen Gegenpol ablehnen. Wir leiden immer dann, wenn die Wirklichkeit nicht mit unseren Erwartungen und Wünschen übereinstimmt und wir die Realität des Moments nicht akzeptieren. Wir leiden also nicht am Leben selbst, sondern an unseren Vorstellungen und Illusionen. Man könnte auch sagen, dass die Ursache des Leidens in der Kluft zwischen der Realität und meinem Wollen resp. Nicht-Wollen liegt.
Die dritte edle Wahrheit lehrt uns, dass das Leiden beendet werden kann, wenn wir seine Ursache erkennen und uns lösen von unserem Haften an diesen «Durst», wenn wir nicht mehr identifiziert sind mit unserem Wollen und Nicht-Wollen, sondern die hier und jetzt erlebte Realität annehmen.
Die vierte edle Wahrheit benennt den achtfachen Pfad der buddhistischen Lehre als Weg, der zu diesem Frieden führt.
Weg, mittlerer
Der mittlere Weg in der buddhistischen Tradition bedeutet, die eigenen Bedürfnisse und Gelüste weder automatisch auszuleben noch sie auszumerzen und sich nichts zu gönnen. In der Verbundenheit mit uns selbst wird es möglich, das Auftauchen des eigenen «Greifreflexes» wahrzunehmen und auf eine heilsame Weise mit ihm in Beziehung zu treten. Wir können unseren Wünschen folgen, uns an den Genüssen des Lebens erfreuen, ohne daran anzuhaften. Freiheit bedeutet nicht, frei von Bedürfnissen und Wünschen zu werden, das wäre unmenschlich und nicht alltagstauglich. Freiheit in Bezug auf unseren Greifreflex heisst, sich nicht von diesem bestimmen zu lassen.
Wir müssen uns also nicht krampfhaft bemühen, frei von unseren Begierden zu werden, sondern wir können uns darin üben, sie wahrzunehmen und ihre Wirkung auf uns und die Welt zu erkennen.
Wir-Bewusstsein
In Frieden mit der Natur und mit uns selbst zu leben, setzt einen kollektiven Transformationsprozess voraus: Die Erweiterung des Ich-Bewusstseins zu einem allumfassenden Wir-Bewusstsein.
Der amerikanische Philosoph Ken Wilber unterscheidet drei Stufen menschlichen Bewusstseins: egozentrisch, ethnozentrisch und weltzentrisch. Leben wir im egozentrischen Bewusstsein, so richten wir unser Handeln ganz auf unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse aus, ohne Rücksicht auf andere. Im ethnozentrischen Bewusstsein fühlen wir uns mit unserer Gruppe verbunden, sei das unser Stamm, unsere Familie, unser Freundeskreis, unsere Nation, unsere Religion oder die Fans desselben Fussballclubs. Alle, die nicht zu unserer Gruppe gehören, sind «die anderen», Gegner oder sogar Feinde. Im weltzentrischen Bewusstsein haben wir das grosse Netz des Lebens im Blick und handeln in Bezug auf dessen Wohl. Unsere persönlichen Wünsche werden weniger wichtig, resp. sie decken sich mit dem Wohl der Welt, weil wir uns der wechselseitigen Abhängigkeit allen Lebens bewusst sind. Wir erkennen, dass die Gesundheit der Erde und unsere eigene Gesundheit dasselbe sind.
Zentrierung
Zentrierung bedeutet, entspannt und stabil in der eigenen Mitte zu ruhen und gleichzeitig aufmerksam und offen die Bewegungen des Lebens in und um uns wahrzunehmen und geschmeidig mit ihnen umzugehen. Zentrierungsübungen helfen uns, diesen Zustand (wieder) zu finden. Es ist völlig normal, dass wir die Verbindung zu unserem Zentrum immer wieder verlieren und von den Wellen des Erlebens mitgerissen werden. Das ist kein Problem, solange wir um unsere innere Heimat wissen und den Heimweg kennen. Wir können unser Zentrum verlassen, aber nicht verlieren, wir verlieren nur die Verbindung zu ihm.